Eine bessere und erfolgreichere Zusammenarbeit kann durch eine Klärung der Erwartungen aller Beteiligten zu Beginn des Projektes erfolgen. Dies bedeutet, jeder Zusammenarbeit wie auch jedes Projekt sollte mit einer Auftragsklärung starten. Wenn Erwartungen nicht erfüllt werden, kann es kriseln. Daher ist es wichtig, zu Beginn genauer hinzusehen. Zum Einen gilt es den Auftrag zu klären, z. B. die Installationsanleitung XY zu aktualisieren. Leider ist es aber damit nicht genug. Häufig versteckt sich hinter diesem Auftrag noch weitere. Diese versteckten, verborgenen und meist unausgesprochenen Aufträge gilt es ebenfalls zu idenifizieren.
Aufträge hinter dem Auftrag
Zu Beginn jedes Projektes steht ein Auftrag. Unter einem Auftrag versteht der Psychologen und Psychotherapeuten Arist von Schlippe die Konstellation von Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen, in der sich der Auftragnehmer hinein begibt. Diese Gemengelage (Auftragsgeflecht) wird noch durch so genannte unsichtbare Auftraggeber verdichtet. Unsichtbare Auftraggeber sind Personen, die nicht mit am Tisch sitzen und ebenfalls Aufträge an den Auftragnehmer haben. In der systematischen Therapie und Supervision wird zwischen zwei Arten von Aufträgen unterschieden – dem offenen und dem verdeckten. Verdeckte Aufträge werden nicht ausgesprochen, sondern vermitteln sich indirekt. In diesem Zusammenhang spricht Arist von Schlippe von „Erwartungs-Erwartungen“. Diese sind nach dem Soziologen Luhmann unsere impliziten Ideen, welche wir darüber entwickeln, welche Erwartungen andere an uns richten. Dabei ist nicht die Frage bestimmend, ob diese Erwartungen zutreffen, sondern welche Erwartungen wir vermuten und was wir dabei empfinden.
Arist von Schlippe ist der Meinung, dass zum Umgang mit einem Auftragsgeflecht entscheidend ist, wie die Aufträge subjektiv vom Auftragnehmer erlebt und erfahren werden. Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Aufträge hat er ein so genanntes Auftragskarussell entwickelt. In diesem stehen die erlebten und vermuteten Aufträge des Auftragnehmers im Zentrum.
Was bedeutet dies für die technische Dokumentation?
Als technische Redakteure haben wir eine Vielzahl von Schnittstellen zu anderen Abteilungen eines Unternehmens. Von einigen Personen werden wir beauftragt eine technische Anleitung zu erstellen, von anderen erhalten wir dafür die Informationen, von anderen wiederum erhalten wir Grafiken usw. Die Erstellung einer technischen Anleitung ist Werk mit vielen Beteiligten. So sind z. B. beteiligt:
- Produktmanager
- Grafiker
- Konstrukteure
- Entwickler
Weitere Personen und Abteilungen beobachten die technische Dokumentation z. B.
- Vertrieb
- Marketing
- Geschäftsführung
- Service
- Qualitätsmangement
Aus meiner Sicht ist es hilfreich, sich mit den unterschiedlichen Erwartungen dieser Personengruppen auseinanderzusetzen. Es gilt aufzuhorchen, wenn der Produktmanager z. B. sagt: „erklär den Entwickler bitte, dass das Produkt so aussehen soll“, oder „wenn Du das Gerät ausprobiere, kläre bitte, ob…“
Welche Erwartungen existieren? Wer möchte uns mit welchen Aufträgen versehen? Welche Aufträge wollen wir annehmen? Welche Aufträge ablehnen? Welche Aufträge möchten wir thematisieren?
Viel Spaß wünsche ich Ihnen.
Literatur
Hertel, A. v., Professionelle Konfliktlösung. Führen mit Mediationskompetenz, Frankfurt/New York 2008.
Schlippe, A. v. : Das Auftragskarussell oder auch Münchhausens Zopf, in Fliegel, St./Kämmerer, A. (Hrsg.), Psychotherapeutische Schätze, 101 bewährte Übungen und Methoden für die Praxis, Tübingen 2006.
Schlippe A. v./Kritz, J.: Das Auftragskarussell – eine Möglichkeit der Selbstsupervision in der systematischen Therapie und Beratung. In: System Familie 9 (3), S. 106-110.