Am 11. Februar 2012 war ich beim Mediationspraxistag der Fördergemeinschaft Mediation D A CH (Deutschland, Austria, Schweiz). Zunächst hatte ich gedacht, dass der Tag ganz unter dem Zeichen der neuesten Entwicklungen zum Mediationsgesetz stehen würde. Im Dezember hatten alle Fraktionen des Bundestages dem Gesetzentwurf zur Förderung der Mediation zugestimmt (mehr). So weit so gut. Nun rief am 10.2 der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an (mehr). Der Vermittlungsausschuss soll sich jetzt insbesondere mit der Frage der richterlichen Tätigkeit im Kontext von Güterichtermodell und Mediation befassen. Damit verzögert sich die Verabschiedung des Mediationsgesetzes.
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Die Entwicklungen rund um das Gesetz wurden immer wieder angesprochen, aber ließen den Praxisberichten und den Preisvergaben genügend Raum. Die Fördergemeinschaft ehrt einmal im Jahr Organisationen und Menschen, die auf besondere Weise dazu beitragen, konstruktives Konfliktmanagement mit Mediationskompetenz zu fördern.
Den Ehrenpreis bekam die Deutsche Bahn, Frau Birgit Gantz-Rathmann nahm die Ehrung entgegen. Sie stellte in ihrem Beitrag sehr plastisch dar, wie sie in diesem Konzern Mediation zur Lösung von Konflikten verankert(e). Eine Maßnahme in diesem Kontext ist die Ausbildung von Mitarbeitern zu Mediatoren. Frau Gantz-Rathmann führte außerdem erfolgreich die Bildung eines Pools interner Mediatoren ein.
Auf andere Weise fesselte mich der Beitrag von Professor Dr. Matthias Kroeger. Er nahm stellvertretend für die verstorbene Ruth Cohn die Auszeichnung entgegen. Ich muss gestehen, dass ich über das Leben und Wirken von Ruth Cohn bis dahin (zu) wenig wusste. Ruth Cohn war die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion (TZI) und eine der einflussreichsten Vertreterinnen der humanistischen und der psychodynamischen Psychologie. Wie viele andere wurde auch Ruth Cohn während des so genannten Dritte Reichs aus Deutschland vertrieben. Herr Kroeger erzählte von seinen Begegnungen mit Ruth Cohn und ihren ersten Besuchen in Deutschland nach dem Krieg. Trotz Google habe ich bisher noch keine Biographie dieser beeindruckenden Frau gefunden. Der Artikel auf wikipedia gibt auch nur einen kleinen Einblick in das bewegende Leben der Frau. Über Hinweise freue ich mich.
Der JugendWinWinno ging an die Organisation MiKK e. V. (mehr). Sosan Azad stellte den Verein vor, der rund um das Thema Mediation bei grenzüberschreitenden Kindesentführungen sowie Umgangs- und Sorgerechtskonflikten unterstützend, beratend und vermittelnd tätig ist. Am Beispiel eines deutsch-ägyptischen Paares und ihrer Tochter verdeutlichte sie, wie sie und ein Kollege dem Paar halfen ihre Trennung zu bewerkstelligen. Es war bewegend, die unterschiedlichen Dimensionen des Konfliktes zu erfahren und zu merken, wie eingeschränkt unser pardon mein Blick ist.
Neben den Fachvorträgen blieb genügend Zeit und Raum für den persönlichen Austausch. Dies war auch meine Hauptmotivation an dem Praxistag teilzunehmen. Meine Hoffnung alte, neue Bekannte zu treffen, wurde erfüllt. Ich hatte sehr gute Gespräche über den Einsatz und die Vielfältigkeit von Mediation. Auffällig war, dass das Wort „Entschleunigung“ immer wieder auftauchte. In Mediationen gilt, den Medianten Raum und Zeit zu geben, nur so können sie nachhaltige Lösungen entwickeln. In den persönlichen Gesprächen wurde der Begriff Entschleunigung häufig auf den Umgang mit sich selbst bezogen. Sich bewusst Zeit zu nehmen, seine Werte und Bedürfnisse wahr zu nehmen. Entschleunigen meint damit zentrieren, Standort bestimmen, Weichen stellen.
Der Mediationstag hat mich bestärkt, mich wieder intensiver mit diesem Themenfeld zu beschäftigen.